Start Page Act 1 Act 2 Act 3 Synopsis
DRITTER AKT
Vorspiel
(Der Vorhang hebt sich und zeigt die Bühne
wieder mit Schleiern in roter Beleuchtung
verhüllt.)
ACT THREE
Prelude
(The curtain rises and shows the stage again
covered with veils and in red lighting.)
Erste Szene
(Es erscheint der Schauplatz von Akt 1. Fahler
Morgen.
Die Türe öffnet sich. Marietta erscheint in
weißem Morgengewande und verharrt kurze
Zeit regungslos auf der obersten Stufe. Dann
stürzt sie mit wilder Bewegung vor das Bild, das
so unverhüllt ist wie zum Schluß von Akt 1.)
MARIETTA
Dich such ich, Bild!
Mit dir hab ich zu reden!
Schön bist du und gleichst mir,
sag, gleichst du mir noch?
Sag, wo ist deine Macht?
Zum zweitenmal starbst du,
du stolze Tote, an mir,
an mir, der Lebenden Liebesnacht,
an mir, der Lebenden Liebesnacht.
Ihr, die ihr abgeschieden,
brecht nicht den Frieden,
drängt nicht ins Leben,
laßt uns holdes Nehmen und Geben!
Laßt uns, laßt uns, die wir atmen und leben,
die wir leiden und streben,
laßt uns die springenden Bronnen,
laßt uns die Stürme, Sonnen und Wonnen,
laßt uns das trunkne Getriebe
von Lust und von Liebe!
(Es ist hell geworden. Vereinzelte Glockentöne.
Aus der Ferne dringt leise in unbestimmten
Klängen eine mysteriös-traumhafte
Marschweise, dazu der Gesang der Kinder, die
sich zum Ausgangspunkt der Prozession
begeben.)
KINDER
(draußen)
O süßer Heiland mein,
First Scene
(The setting of Act 1 appears. A pale morning.
The door opens. Marietta appears in a white
morning gown and remains motionless on the
top step for a short while. Then she rushes
wildly up to the portrait which is uncovered as
it was at the end of Act 1.)
MARIETTA
I’m looking for you, picture!
I have to talk to you!
You are beautiful and like me,
tell me, are you like me still?
Say, where is your power now?
You have died a second time,
you proud dead one, through me,
through me, the living night of love,
through me, the living night of love.
You, who are departed,,
do not break the peace,
do not push for life,
let us have fair give and take!
We who live and breathe,
who suffer and strive,
let us have the leaping fountains,
the storms, suns, blessings,
let us enjoy the intoxicated workings
of desire and love!
It has become light. Occasional bell chimes.
From afar floats softly in uncertain tones a
mysterious dream-like march tune, and the
singing of children who are going to the
starting point of the procession.)
CHILDREN
(off)
O my sweet Saviour,
einst werd ich um dich sein.
In deiner Liebe Hut
werd ruhen ich so gut.
MARIETTA
Kinder sinds.
Sie sammeln sich zur heiligen Prozession
und rufen mit des Lebens Wort mich
von der Toten fort.
KINDER
(draußen)
Einst sagst du:
komm zu mir ins selige Revier,
zu blühn am Himmelsrain,
am Himmelsrain ein leuchtend Blümelein.
MARIETTA
Der Kinder Sang, er schwingt und schwillt,
bestärkt des Lebens Drang.
one day I will be with you.
In your beloved protection
I will rest so well.
MARIETTA
They are children.
They are gathering for the holy procession
and call me with the word of life
away from the dead.
KINDER
(off)
One day you will say:
come to me in the blessed land,
to bloom in heaven,
in heaven a radiant little flower.
MARIETTA
The children’s song, it soars and swells,
and strengthens the force of life.
Zweite Szene
PAUL
(stürzt verstört herein)
Du hier?
MARIETTA
(die Schmollende spielend)
Als ich erwachte, warst du fort.
PAUL
(düster, den Blick zu Boden gerichtet, von
Gewissensangst gequält vor sich hin)
Mich triebs in die Straßen,
die Andacht und Gebet erfüllt.
MARIETTA
Und ich hatt Langeweile ohne dich.
Da stieg ich ins untre,
ins intressantre Stockwerk,
besuchte deine Tote.
PAUL
(aufschreckend)
Fort von hier! Fort, fort!
MARIETTA
Empfingst du selber mich nicht hier,
das erste Mal?
Second Scene
PAUL
(rushes in, distraught)
You here?
MARIETTA
(pretending to sulk)
When I awoke, you were gone.
PAUL
(gloomily, his gaze fixed on the ground,
tormented by pangs of conscience)
I felt driven to the streets,
where worship and prayer prevail.
MARIETTA
And I was bored without you.
So I came down to a lower,
to a more interesting floor
and visited your departed.
PAUL
(startled)
Away from here! Away, away!
MARIETTA
Did you not receive me here yourself,
the first time?
PAUL
Ja, damals.
Doch heut, komm fort!
(faßt sie bei der Hand)
MARIETTA
(sich losmachend)
Nein, ich bleib da.
Sehn wir doch auch den Umzug besser hier.
PAUL
Komm, ich beschwöre dich!
MARIETTA
Den kleinsten Wunsch versagst du mir!
Vergißt so rasch du, was du schwurst?
(schmiegt sich schmeichelnd an ihn)
PAUL
O schweig
(Draußen hat die traumhafte Marschmusik
wieder eingesetzt, die das Nahen des Zuges
ankündigt. Sie erklingt gedämpft während des
Folgenden.)
MARIETTA
(zum Fenster eilend und die Hände zusammen -
schlagend)
Die Menschen!
Das ist nicht Brügge heut, die tote Stadt.
(will das Fenster öffnen)
Die Menschen!
PAUL
(halt sie zurück)
Was fällt dir ein!
Wenn man dich säh!
MARIETTA
Schon wieder!
Schämst dich noch immer meiner!
(wendet sich erzürnt ab)
PAUL
(nachgebend)
Ich öffne halb, stell dich zur Seite,
gedeckt durch mich.
PAUL
Yes, back then.
But today, come away!
(seizes her by the hand)
MARIETTA
(freeing herself)
No, I’m staying here.
And we’ll see the procession better here too.
PAUL
Come, I implore you!
MARIETTA
My slightest wish you refuse me!
Do you forget so quickly what you promised?
(clings coaxingly to him)
PAUL
O be quiet…
(Outside the dream-like march music has
recommenced, heralding the arrival of the
procession. It is heard in muffled tones during
the following.)
MARIETTA
(hastening to the window and clapping her
hands)
The people!
Today this is not Bruges, the dead city.
(about to open the window)
The people!
PAUL
(holds her back)
What are you thinking!
Suppose someone saw you!
MARIETTA
What again!
Are you still ashamed of me?
(turns away angrily)
PAUL
(giving way)
I’ll open half, stand to the side,
concealed by me.
MARIETTA
(wirft sich ärgerlich in einen Stuhl)
Nun will ich gar nichts sehn!
PAUL
(beschwichtigend)
Sei klug! Sei gut!
(sich erinnernd)
Doch ich vergaß der Lichter,die landesüblich.
(geht in den Hintergrund, öffnet einen Schrank
und entnimmt ihm zwei Leuchter mit
Wachskerzen, die er anzündet und aufs
Fensterbrett stellt)
MARIETTA
(für sich)
Mein Sehnen, mein Wähnen,
es träumt sich zurück.
Im Tanze gewann ich,
verlor ich mein Glück.
Im Tanze am Rhein, bei Mondenschein,
gestand mirs aus Blauaug…,
Lieb sang er das, mein Pierrot.
Ja, der brennt lichterloh!
PAUL
(sich vom Fenster aus umwendend, wie
beschwörend)
Der fromme Zug!
MARIETTA
(ohne hinzublicken)
Laß mich zufrieden!
Behalt sie, deine fromme Maskerade!
(mit den Füßen wippend)
Wie fade!
Bleib du in deiner Loge, ich sing mir eins.
(trällert)
Was soll es, daß du ferne bist?
Hab dich ja heut doch noch nicht geküßt.
Diridi, diridi, diridon, diridi, diridon
Gaston, Gaston!
(springt auf)
Gaston, Gaston! Zu ihm, zu ihm!
PAUL
(sie brutal auf den Sitz niederdrückend)
MARIETTA
(throws herself angrily into a chair)
Now I won’t see anything!
PAUL
(soothingly)
Be sensible! Be good!
(remembering)
But I forgot the candles, that’s the custom.
(goes into the background, opens a cupboard
and removes two candlesticks with wax candles,
which he lights and places on the window)
MARIETTA
(to herself)
My yearnings, my fantasies,
return as in dreams.
In the dance I won,
and then I lost again.
In the dance on the Rhine, in the moonlight,
an intimate look from blue eyes
He sang that well, my Pierrot
Yes, it burns brightly.
PAUL
(turning from the window, and entreating her)
The devout procession!
MARIETTA
(without looking)
Leave me in peace!
Keep it, your pious masquerade!
(jiggling her feet)
How dull!
You stay in your box, I’ll sing for myself.
(trilling)
How can you be so far away?
I haven’t yet kissed you today.
Diridi, diridi, diridon, diridi, diridon
Gaston, Gaston!
(jumps up)
Gaston, Gaston! To him, to him!
PAUL
(pushing her roughly back on the seat)
Du schweigst und bleibst mir, wo du bist!
(Marietta blickt ihn halb überrascht, halb
trotzig an, und folgt ihm mit den Blicken,
während er zum Fenster geht. Von der Straße
her dringt dumpfes Geräusch: die
Menschenmenge, die sich angesammelt hat, um
die Prozession zu erwarten. Die Marschmusik
wird lauter. Der sich nahende Zug bannt Pauls
Aufmerksamkeit. Er gibt sich der feinen
seelischen Zwiespalt beschwichtigenden
frommen Zeremonie hin, so daß er die
Anwesenheit Mariettas zu vergessen scheint.
Aus der Marschmusik, die immer weiter geht,
löst sich der Gesang der Kinder los.)
KINDER
(draußen)
O süßer Heiland mein,
wir, deine Kindelein,
geleiten treu und gut
dein kostbar heilig Blut.
PAUL
(beim Fenster)
Die Kinder sinds an der Spitze.
In ihren schimmernd weißen Kleidchen
umtrippeln sie ein schneeig Osterlamm.
Komm und schau!
Statuen jetzt und Kirchenbanner,
von Mönchen vor sich hergetragen.
PROZESSION
(draußen)
Pange lingua gloriosi corporis mysterium.
Pange lingua… usw.
PAUL
Nun die historische Gruppe!
Die alten frommen Herrn von Flandern
in Kreugzzugsrüstung und Brokaten.
Patrizier stellen sie dar von Brügge,
in alten Prachtkostümen.
Als ob die Helden, Heiligen und Krieger,
der Memling und Van Eyck,
erwacht sind zum Leben,
durch die Straßen schritten.
(zu Marietta)
So komm doch, Marietta, komm und schau!
(Marietta verharrt in finsterer Ruhe.)
Ein flutend Meer von goldnen Meßgewänderrn!
You keep quiet and stay where you are!
(Marietta looks at him, half surprised and half
defiant, and follows him with her eyes, while he
goes to the window. From the street a muffled
noise is heard: the crowd, which has assembled
to wait for the procession.
The march music grows louder. The
approaching procession captures Paul’s
attention. He so gives himself up to the
conflicting and yet soothing emotions of the
sacred ceremony that he seems to forget the
presence of Marietta.
The song of the children detaches itself from the
the march music which continues steadily.)
CHILDREN
(off)
O my sweet Saviour,
we, your children,
escort in sincere devotion
your precious holy blood.
PAUL
(at the window)
The children are at the front.
In their shimmering white garments
they skip around a snowy Easter lamb.
Come and see!
Statues now and sacred banners,
carried before them by monks.
THE PROCESSION
(off)
Tell tongue, the mystery of the glorious body.
Tell tongue… etc.
PAUL
Now the historical group!
The old pious lords of Flanders
in Crusader armour and brocades.
Patricians of Bruges are representing them
in old splendid costumes.
It’s as if the heroes, saints and warriors,
Memling and Van Eyck
have awakened to life
and are walking through the streets.
(to Marietta)
Come on Marietta, come and see!
(Marietta remains in a sullen silence.)
A surging sea of golden vestments!
Und zwischendurch,
Blutstropfen gleich versprengt,
das Chorhemd rot der Sängerknaben,
die Weihrauchfässer schwenken,
den heilgen Duft kredenzen.
Berauschend wogt die farbige Flut.
Und unter schwankem Baldachin
der Bischof trägt den goldenen Schrein,
den kleinen Dom, besetzt mit Edelstein.
Inbrunst ergießt sich durch die Straßen.
Des Glaubens selig süße Frenesie
zwingt alles, alles auf die knie!
(Neigt sich, unwillkürlich mitgerissen, tief zur
Erde.
Der Hintergrund des Zimmers wird transparent.
Ein gespenstig Traumbild: Der Zug, die Kinder,
dann die Kreuzritter die Geistlichkeit und die
Chorknaben, wie es Paul beschrieben hat,
scheinen im Hintergrunde vorbeizuschreiten.)
PROZESSION
(Gemurmel)
Mysterium corporis, corporis, usw.
MARIETTA
(sieht Paul halb ironisch, halb wie mit
neuerwachtem Interesse an)
Du bist ja fromm!
Ja, wer dich liebt, der muß teilen
mit Toten und mit Heiligen.
(plötzlich)
Ich aber, hör mich,
ich will dich gar nicht, gar nicht, oder ganz!
(umfaßt ihn und zieht ihn vorn Fenster weg)
Geh, laß das Schaugepränge!
Komm, setz dich zu mir.
Dann bin ich wieder gut.
Wie hübsch dir die Verklärtheit steht!
Küß mich, mein Junge.
PAUL
(abwehrend)
Nicht jetzt, nicht hier.
MARIETTA
Gerade jetzt, gerade hier.
(Der Marsch setzt voll dräuender Dissonanzen
ein. Der Zug erscheint neuerlich im
And in between,
scattered like drops of blood,
the crimson surplices of the choirboys,
swinging the censers,
proffering the holy fragrance.
Intoxicatingly, the colourful tide surges.
And under a swaying canopy
the bishop carries the golden shrine,
the small cathedral set with precious stones.
Fervour pours through the streets.
The blessed sweet frenzy of faith
forces everyone, everyone to their knees!
(Spontaneously carried away, he bends low to
the ground.
The background of the room becomes
transparent. A ghostly dream image. The
procession, the children, then the crusaders, the
clergy and the choirboys, as Paul has described
them, appear to pass by in the background.)
THE PROCESSION
(Murmuring)
The mystery of the body, the body, etc.
MARIETTA
(looks at Paul half ironically, half with newly
aroused interest)
You are religious!
Indeed, whoever loves you has to share you
with the dead and with saints..
(suddenly)
But I, listen,
I will have you either not at all, or totally!
(clutches him and pulls him away from the
window)
Come on, leave that gaudy pageant!
Come and sit by me.
Then I’ll be good again.
How well that rapt expression suits you!
Kiss me, my boy..
PAUL
(resisting)
Not now, not here.
MARIETTA
Right now, right here.
(The march breaks into crude discords.
The procession appears again in the
Hintergrunde in rotafflammendem Licht,
diesmal in bewegungsloser Erstarrung; alle,
wie im Schreiten begriffen, die Körper nach
vorwärts geneigt, die Augen drohend auf Paul
gerichtet, die Arme gegen ihn erhoben.)
PAUL
(entsetzt auffahrend, taumelt rückwärts)
Der fromme Zug,
er dringt herein ins Zimmer,
dringt drohend auf uns ein, furchtbar Gesicht!
Furchtbar!
Laß mich, laß mich, laß mich!
MARIETTA
(gereizt)
Du siehst Gespenster.
Das macht der Moder dieses Raums,
dein dumpfer Aberglaube.
PAUL
(sich fassend)
Aberglaube? Nein, kein Aberglaube!
Mein Glaube ist die Treu,
mein Glaube ist der Liebe ewige Weih.
Und heilig, heilig dieser Glaube!
Er weiht diesen Raum,
und erfüllet ihn mit seligem Traum.
Und unsichtbar erbauet ragt mir ein Altar,
vor dem sich niederwirft mein Schmerz
um die, die war.
MARIETTA
Und wieder die Tote,
O, wie du mich erniedrigst!
Sie schläft doch und fühlt ja nicht
Untreu, nicht Liebe.
Ich aber lebe, fühle die Kränkung.
Ich gab mich frei dir,
sie war deine Gattin,
lebte geborgen.
Ich kam aus der Gosse,
getreten, gehöhnt!
Und der Erste, der Lieb mich gelehrt,
er wars, der mich zerstört.
Ich litt, ich stritt, ich wagt, gewann, verlor,
rang unter Qualen mich empor,
die hne biß im Trotz ich zusammen,
entwand mich einer Hölle Flammen,
sprengte kämpfend das verschlossne Tor
zum Garten jauchzender Lust,
background in red-flaming light, this time
frozen into rigidity; all as if in the process of
moving, their bodies bent forward, their eyes
threateningly directed at Paul, their arms raised
against him.)
PAUL
(startled in horror, staggers backwards)
The holy procession,
it is coming right into this room,
pressing right in menacingly, a dreadful sight!
Dreadful!
Leave me, leave me, leave me!
MARIETTA
(irritably)
You are seeing ghosts.
It’s the the decay of this room that causes
your gloomy superstition.
PAUL
(controlling hiimself)
Superstition? No, not superstition!
My faith is the true one,
my faith is eternal consecration to love.
And this faith is holy, holy!
It sanctifies this room,
and fills it with a blissful dream.
And all invisible an altar stands,
before which my grief prostrates itself
for her who was.
MARIETTA
And again the dead,
O, how you humiliate me!
She is asleep and can feel
neither your unfaithfulness nor your love.
But I am alive and feel your insults.
I gave myself freely to you,
she was your wife,
she lived protected.
I came from the gutter,
despised, insulted!
And the first one who taught me love,
he was the one who ruined me.
I suffered, I argued, I dared, won, lost,
struggled in agony,
gritted my teeth in defiance,
escaped from a hell of flame,
blasted my way fighting through the closed door
to the garden of exultant pleasure,
errang mir an mich selbst den Glauben,
Glauben…
Soll, darf die Tote ihn mir rauben?
PAUL
Rein war sie, rein…
vergleich dich nicht mit ihr.
MARIETTA
Du Heuchler!
Vor wenig Stunden noch,
da hast du mein Laster angebetet
und ihrer Reinheit nicht gedacht!
Und wenn ich will,
liegst wieder du zu Füßen mir,
mir, ja mir, die du unrein schiltst.
PAUL
Verruchte, schweig und geh!
MARIETTA
Gierst nach geschmähter Lüste freier Macht,
stöhnst nach wild durchraster Liebesnacht,
und teilst mich mit den Pierrots,
mit denem Freund und jedem ersten Besten
der mir gefällt!
PAUL
(drohend auf sie zu, ihr die Türweisend)
Verworfne, fort von hier.
MARIETTA
Nein!
PAUL
Fort aus dem geweihten Raum!
MARIETTA
Narr!
PAUL
Fort!
MARIETTA
Narr!
PAUL
Hinweg!
MARIETTA
Ihr weichen? Nie!
Zum Kampf mit ihr!
(stürzt leidenschaftlich vor das Bild)
regained my belief in myself,
belief…
Shall, may the dead rob me of this?
PAUL
She was pure, pure…
do not compare yourself to her.
MARIETTA
You hypocrite!
A few hours ago,
you were worshipping my vices
and did not think of her purity!
And whenever I want,
you will grovel to me again,
to me, yes me, whom you call impure.
PAUL
Wicked woman, shut up and go!
MARIETTA
You crave the vile lusts of unbridled power,
panting for wild nights of love,
and share me with the Pierrots,
with your friend and every likely man
who pleases me!
PAUL
(threatening her, pointing to the door)
Depraved one, leave this place.
MARIETTA
No!
PAUL
Leave this sacred place!
MARIETTA
Fool!
PAUL
Go!
MARIETTA
Fool!
PAUL
Away!
MARIETTA
Yield to her? Never!
I’ll fight with her!
(falls passionately in front of the picture)
Und offnen Augs, Weib gegen Weib,
heissatmend Leben gegen Tod!
Bin ich nicht schön,
strafft Jugend nicht der Glieder Pracht?
Nehm ich’s nicht auf mit ihr,
(deutet auf das Bild)
mit diesem malen Schemen?
PAUL
Schweige und l das!
MARIETTA
Bin ich nicht schön
und macht mich meine Kunst nicht stark?
(greift nach einer der Photographien)
Und hebt sie mich nicht über blasses Abbild von
dem, was war?
PAUL
(entreißt ihr heftig die Photographie)
Laß das und geh!
MARIETTA
(wild)
Wo steckt ihr Zauber in dieser öden
Trödelkammer?
Ich werde mit ihm fertig…
ich schwörs, ich schwörs.
(ihr Bild fällt auf die Kristalltruhe, sie eilt auf
diese zu, öffnet sie rasch und zieht die
Haarflechte hervor)
Ah, was ist das?
PAUL
(stürzt auf sie zu)
Rühr das nicht an!
Das ist geheiligt!
(Marietta lacht mit jähem Stimmungswechsel
schrill auf, läuft vor Paul um den Tisch herum
davon, die Flechte in der Hand hoch
emporhaltend, Paul ihr nach)
MARIETTA
Ihr Haar?
Gewiß, gewiß, ihr Haar!
Laß mich vergleichen.
Tot ist’s, tot und ohne Glanz.
Ist meins nicht seidiger, nicht weicher?
And eyes open, woman against woman,
hot-breathing life against death!
Am I not beautiful,
doesn’t youth tighten the splendour of limbs?
Can I not compete with her,
(points to the picture)
with this painted spectre?
PAUL
Be silent and leave that!
MARIETTA
Am I not beautiful
and does my art not make me strong?
(taking up one of the photographs)
And lift me above that pale reproduction of
what was?
PAUL
(roughly snatching the photograph from her)
Leave that and go!
MARIETTA
(wildly)
Where is her magic hiding in this dreary junk
room?
I will get the better of it…
I swear, I swear.
(her glance falls on the crystal coffer, she
rushes to it, opens it quickly and pulls out the
plait of hair)
Ah, what is this?
PAUL
(rushes towards her)
Don’t touch that!
That is sacred!
(Marietta shrieks with a sudden change of
mood, runs round the table in front of Pail,
holding the plait high in her hand, Paul
following her)
MARIETTA
Her hair?
Certainly, certainly, her hair!
Let me compare.
It’s dead, dead and without sheen.
Is mine not silkier, softer?
PAUL
Nimm dich in Acht!
Mein Heiligtum, entweih es nicht!
MARIETTA
(lachend)
Der tote Tand, ein Heiligtum?
Du phantasierst ja!
PAUL
Gib her, gib her,
das Haar, es wacht und droht.
MARIETTA
(immer lachend)
Du schenkst mir das, nicht wahr?
PAUL
(keuchend)
Das Haar, das Haar,
der goldne Schatz, den sie mir ließ,
es wacht in meinem Hause,
es wacht und rächt!
Nimm dich in Acht!
(Marietta springt katzenartig auf die
podiumartige Erhöhung, schlingt sich die
Flechte wie eine Kette um den Hals und hält sie
mit beiden Händen fest.
Beginnt dann hohnlachend zu tanzen.)
MARIETTA
Ich tanz, ich tanz die letzte Glut der Liebe,
den letzten Kuß.
Ich tanz, ich tanz des Lebens siegende Macht!
(Paul, der eine Zeitlang wie fasziniert, starr
zugesehen, erfaßt sie, zerrt sie in den
Vordergrund und wirft sie zu Boden)
PAUL
Gib oder stirb!
MARIETTA
Du tust mir weh! Nein! Nein!
Du bist verrückt…
(Paul erdrosselt sie im Ringen mit der
Haarflechte. Marietta, aufschreiend)
Ah!
(Marietta fällt entseelt zurück.)
PAUL
Watch out!
My sanctuary, don’t desecrate it!
MARIETTA
(laughing)
This dead rubbish, a sanctuary?
You are fantasising!
PAUL
Give it here, give it here,
the hair, it is watching and threatening.
MARIETTA
(still laughing)
You’ll give me that as a present, won’t you?
PAUL
(panting)
Her hair, her hair,
the golden treasure she left me,
it keeps watch in my house,
it keeps watch and avenges!
Watch out!
(Marietta jumps cat-like onto the platform,
winds the plait round her neck like a necklace,
and holds it tight with both hands.
She then starts to dance, mockingly.)
MARIETTA
I dance, I dance the last glow of love,
the last kiss.
I dance, I dance the victorious power of life!
(Paul,, watching her fixedly for a while as if
fascinated, grabs her, drags her into the
foreground and throws her to the ground)
PAUL
Give it to me or die!
MARIETTA
You are hurting me! No! No!
You are crazy…
(Paul strangles her in struggling with the hair
plait. Marietta screams.)
Ah!
(Marietta falls back lifeless.)
PAUL
(starrt entsetzt die Tote an)
Jetzt gleicht sie ihr ganz,
(aufschreiend)
Marie!
(Dunkelheit wie zum Schluß von Akt 1.
Kurzes Zwischenspiel.)
PAUL
(staring in horror at the dead Marietta)
Now she resembles her completely,
(screams)
Marie!
(Darkness as at the end of Act 1.
A short interlude.)
Dritte Szene
Aus dem Dunkel hat zuerst allein die Gestalt
Pauls hervorzutreten, der in eben derselben
Stellung wie zum Schluß von Akt 1 zu sehen ist;
dann erhellt sich allmählich die ganze
Umgebung.
Das Zimmer genau wie in Akt 1.)
PAUL
Die Tote, wo, lag sie nicht hier,
verzerrt, gebrochnen Augs?
(erblickt die Kristalltruhe, die ein Mondstrahl
beleuchtet)
Und hier das Haar,
unangetastet leuchtets wie zuvor,
Wie wird mir, was hab ich erlebt,
nein, was hab ich geschaut?
BRIGITTA
(öffnet die Tür im Hintergrund und stellt sachte
eine brennende Lampe vorn auf den Tisch)
Die Dame von vorher, Herr Paul,
sie kehrte an der Ecke um.
PAUL
(sie liebevoll anblickend)
Brigitta, du, in alter Lieb und Treu
(Marietta tritt herein, in Erscheinung und
Haltung genau wie sie am Ende von Akt 1
fortging, leicht und liebenswürdig)
MARIETTA
Da bin ich wieder,
kaum daß ich Sie verlassen.
Vergaß den Schirm und meine Rosen.
(lächelnd, mit Beziehung)
Man sollt es für ein Omen nehmen,
ein Wink, als ob ich bleiben sollte.
Third Scene
From the darkness, first the figure of Paul alone
stands out, and is seen in exactly the same
position as at the end of Act 1; then gradually
the entire surroundings are illuminated.
The room is just as in Act 1.)
PAUL
The body, where, was it not here,
distorted, with lifeless eyes?
(sees the crystal coffer, shining in the
moonlight)
And here her hair,
untouched and shining as before,
How is all this, what has happened to me,
no, what have I seen?
BRIGITTA
(opens the door in the background and gently
places a lighted lamp at the front of the table)
The lady who was here just now, Mr Paul,
she has turned back at the corner.
PAUL
(looking at her affectionately)
Brigitta, you, ever loving and true
(Marietta enters, in appearance and attitude
exactly as she went out at the end of Act 1,
calmly and amiably)
MARIETTA
Here I am again,
just after after I left you.
I forgot my parasol and my roses.
(smiling meaningfully)
One could take this for an omen.,
a wink, as I might say.
(Da Paul stumm und in sich gekehrt bleibt,
wendet sie sich nach einer Pause - deutliches
pantomimisches Spiel - die Achsel zuckend, mit
feinem ironischem Lächeln, kokett den Schirm
schwingend und an dem Rosenstrauch riechend,
zur Türe.
Dort trifft sie mit dem eintretenden Frank
zusammen, der sich stumm vor ihr verbeugt. Sie
nickt ihm liebenswürdig lächelnd zu. Ab.)
FRANK
Das also war das Wunder?
(auf Paul zu, dessen beide Hände fassend und
ihm ins Auge blickend)
Es war das Wunder,
ich les in deinem Aug, ist es nicht mehr.
PAUL
O Freund, ich werde sie nicht mehr wiedersehn.
Ein Traum hat mir den Traum Zerstört,
ein Traum der bittren Wirklichkeit
den Traum der Phantasie.
Die Toten schicken solche Träume,
wenn wir zu viel mit und in ihnen leben.
Wie weit soll unsere Trauer gehen,
wie weit darf sie es, ohn' uns zu entwurzeln?
Schmerzlicher Zwiespalt des Gefühls!
FRANK
(herzlich)
Ich reise wieder ab.
Sag, willst du mit mir?
Fort aus der Stadt des Todes?
PAUL
Ich wills, ich wills versuchen...
(Frank gibt Brigitta ein Zeichen sich mit ihm
zurückzuziehen und Paul allein zu lassen.)
Glück, das mir verblieb,
lebe wohl, mein treues Lieb.
Leben trennt von Tod,
grausam Machtgebot.
Harre mein in lichten Höhn,
hier gibt es kein Auferstehn.
(Er erhebt sich, schliesst mit langsamer
Feierlichkeit die zum Zimmer der Toten
führende Tür ab, nimmt die sie schmückenden
Blumen ab, verhüllt das Bild und nimmt auch
hier die Blumen an sich, sie an die Brust
drückend.
(As Paul remains silent and withdrawn, she
turns after a pause, - very clear pantomime
action here - shrugging her shoulders with an
ironical little smile, flirtatiously swinging her
parasol and smelling her bunch of roses,
towards the door.
There she meets the incoming Frank, who bows
silently to her. She nods graciously to him with
a smile and leaves.)
FRANK
So that was the miracle?
(goes up to Paul, holding both of his hands and
looking him in the eye)
It was the miracle,
I can read in your eyes that it is no more.
PAUL
O Friend, I will not see her again.
A dream has destroyed my dream,
a dream of bitter reality has destroyed
the dream of imagination.
The dead send such dreams,
if we live too much with them and in them.
How far should our grief go,
how far may it go, without uprooting us?
Harrowing conflict of feeling!
FRANK
(warmly)
I am leaving again.
Say, will you come with me?
Away from this city of death?
PAUL
I want to, I want to try...
(Frank gives a sign to Brigitta to withdraw with
him and leave Paul alone.)
Joy, that proved true,
farewell my faithful love.
Live separates from death,
cruel commandment.
Wait for me in a higher sphere,
here there is no resurrection.
(He gets up, closes with slow solemnity the door
leading to the dead woman’s room, removes the
flowers that adorn it, covers the picture and
takes the flowers here as well,holding them to
his heart.
Dann läßt er die Gardine des Fensters herab,
ergreift die Tischlampe und schreitet gesenkten
Hauptes auf die Ausgangstüre im Hintergrunde
zu. Wenn er sie erreicht hat, öffnet und
Abschied nehmend zurückblickt.
Fällt langsam der Vorhang.)
Then he draws the window curtains, takes up
the table lamp and strides with bowed head
towards the exit door in the background.
When he reaches it, he opens it and looks back
in a final farewell.
The curtain falls slowly.)
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